Nicht lange wanderten sie durch den Wald, da bemerkte Lena in der Ferne ein goldenes Licht, das hell durch die Zweige der Bäume hindurch strahlte. „Ist es da, wo wir hin müssen?“, fragte sie ihre Begleiterin.
„Ja, das ist der Palast der Vergangenheit“, erwiderte Idis. „Er ist aus strahlendem Gold, denn er ist voller Schätze, deren starke Energie bis zu uns strahlt!“
Nach wenigen weiteren Schritten lichtete sich der Wald vor ihnen und gab den Blick auf eine weite, grüne Wiese voller Sommerblumen frei. Inmitten dieser blühenden Pracht stand ein strahlender, goldener Palast, wie aus Tausend und einer Nacht. Spitze Türmchen reckten sich in den Himmel. Kleine, kunstvoll geschwungene Zinnen verzierten die Mauern. Die Türen und Fenster, welche Lena beim Näherkommen erspähen konnte, waren reich geschmückt mit Intarsien und Ornamenten. Und jeder Stein, jede Fuge, einfach alles schien aus purem Gold zu sein und schimmerte kostbar und prachtvoll in der warmen Sonne. Er schien regelrecht vor Kraft und Wärme zu pulsieren und es war Lena, als dränge dieses Gefühl bis in ihr tiefstes Innerstes. „Das ist dein Palast, Lena, es ist ganz natürlich, dass du sein Echo in deinem Körper spürst. Du bist ja mit ihm verbunden, und er enthält viel mehr, als du gerade begreifen kannst“, erklärte Idis. „All das – alles, was in den Zimmern und Winkeln, den Ecken und Türmen verborgen ist – ist in deinem Körper gespeichert. Denn alles, was du je erlebt hast, ist dort im Palast archiviert.“
Lena nickte und versuchte die Worte ihrer weisen Mentorin zu verstehen. Aber da fiel ihr plötzlich etwas auf. „Ohje, da sind ja Wassergräben, und alle umschließen den Palast! Ah, aber da gibt es auch eine Brücke, die über die Gräben führt.“
„Ja, das ist deine erste Aufgabe, denn zunächst geht es darum, dass du die Brücke überquerst“, kündigte Idis an. „Allerdings wird sie durch eine alte Pförtnerin bewacht, Mela. Sie ist diejenige, die alles in dir verschleiert, all deine Erinnerungen an die Vergangenheit. Nun musst du die wichtigsten Ereignisse deiner Vergangenheit aus ihr herausbekommen. Denn immer wenn du etwas Entscheidendes herausgefunden hast, wird sie nicht anders können, als dir von ihren Diamanten abzugeben. Die Brücke ist aus einzelnen Dielen gebaut und in jeder Diele ist ein kleines Loch eingelassen. Jedes Loch muss mit einem der Diamanten gefüllt werden, damit du die Brücke überqueren kannst. Ja, und kein Loch darf leer bleiben.“ Idis schaute Lena herausfordernd an. „Wirst du das schaffen? Du wirst alles in Bewegung setzen müssen, um Mela ihr Wissen zu entlocken.“
„Und wie mache ich das?“, fragte Lena unsicher.
„Indem du alles anwendest, was du bisher gelernt hast. Versuche, sie zu verstehen. Tritt in einen Herzenskontakt mit Mela und sie wird sich dir öffnen. Tust du es allerdings nicht, wird sie sehr wahrscheinlich versuchen, dich in den Graben der Verzweiflung zu locken. Aber ich bin ja da und außerdem hast du ja dein Seelenkleid an. Du wirst es schaffen, aber leicht wird es nicht, also konzentriere dich und wie gesagt, wende alles an, was du bisher gelernt hast“, sagte Idis und schaute Lena auffordernd an.
„Und mir wird wirklich nichts passieren?“, fragte Lena und spürte, wie sich in ihrem Magen ein harter Knoten bildete.
„Nein“, sagte Idis und lächelte sie aufmunternd an. „Wie man’s nimmt, Lena,“ dachte sie bei sich, „aber ich denke, du wirst es schaffen.“
Lena marschierte in Richtung des kleinen Torhäuschens auf ihrer Seite des Burggrabens los in welchem Mela wohl wohnte. Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden und in dem Moment kam ihr der Gedanke, dass es wahrscheinlich eine große, schwere Aufgabe werden würde. Aber trotzdem ging sie los. Und klopfte an.
„Nein!“, tönte es laut und barsch von innen. „Erst nächstes Jahr wieder!“
Lena zuckte zurück. „Erst nächstes Jahr wieder? Aber ich will doch jetzt die Brücke überqueren. Und Papili befreien! Nein, also nächstes Jahr geht nicht. Das ist zu spät!“, dachte sie und klopfte noch einmal.
Diesmal ertönte es lauter und ärgerlicher: „Hast du denn keine Ohren, ich habe gesagt, erst nächstes Jahr wieder!“
„Es ist aber dringend“, hörte sich Lena antworten und war ganz erstaunt, dass sie diese Antwort überhaupt über ihre Lippen gebracht hatte.
Idis beobachtete die Szene und lächelte wissend, da sie solche Momente ja schon viele Male zuvor beobachten durfte.
„Was ist denn so dringend?“, ertönte es noch lauter und noch ärgerlicher von drinnen.
„Hm… ich würde gern in den Palast der Vergangenheit gehen“, sagte Lena. „Und da bräuchte ich dich dazu, damit du mich über die Brücke lässt, bitte“, flehte Lena.
„Das kann ja jeder sagen. Ich habe gesagt, nächstes Jahr und nächstes Jahr heißt nächstes Jahr. Und vielleicht sage ich nächstes Jahr, dass es erst übernächstes Jahr geht. Weiß noch nicht“, gab die Stimme aus dem Häuschen zurück.
Jetzt wurde Lena wütend. Wollte sie da etwa jemand auf den Arm nehmen? Was sollte sie denn machen? Und plötzlich ging sie entschieden an die Tür und drückte die Türklinke herunter. Die Tür sprang auf!
„Gut gemacht, Lena!“, jubelte Idis.
Lena erschrak. „Huch, das wollte ich nicht, Entschuldigung“, stammelte sie und wurde ein wenig blass um die Nase.
„Warum hast du’s dann getan“, sagte eine alte dunkel gekleidete Frau, die im Inneren des Häuschens an einem Tisch saß und Diamanten zählte.
Lena war sprachlos. „Ich…“, begann sie und wurde rot im Gesicht, denn es war ihr wirklich unangenehm. Aber dann rief sie sich in Erinnerung, weshalb sie tatsächlich hier war. „Weil ich über die Brücke will. Jetzt. Sofort!“
„Na, sag’s doch gleich. Das konnte ich ja nicht wissen“, antwortete die Alte.
„Aber das habe ich doch gerade getan! Vor der Tür!“, stammelte Lena in einem immer noch etwas ärgerlichen Ton.
„Nein, hast du nicht“, gab Mela patzig zurück. „Was willst du überhaupt genau von mir?“
„Ich will, dass du mir sagst, was in meiner Vergangenheit passiert ist und das du mir deine Diamanten gibst“, forderte nun Lena etwas forscher und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Das habe ich mir gedacht, dass du mir meine Diamanten wegnehmen willst, das habe ich mir gedacht“, zischte die Alte, „aber denk nicht, dass du mir mein Wissen so leicht entlocken kannst! Ich werde dir nur das Nötigste sagen und glaube nicht, dass ich dir meine Diamanten gebe. Es gibt nämlich noch einen anderen Weg, wie du zum Palast kommst. Schwimme einfach durch den Kanal!“
„Nein, das ist der Graben der Verzweiflung und das will ich nicht“, erwiderte Lena.
„Mela, ich will wissen, was in meiner Vergangenheit passiert ist, und warum ich so geworden bin, wie ich geworden bin.“
„Du warst ein kleines Mädchen und deine Eltern haben sich immer gestritten. Dann hast du dich in dein Herz verkrochen und das kleine Mädchen hat sich in ein Vogelküken verwandelt, während du getrennt von deinem Herzen aufgewachsen bist“, gab Mela resigniert aber auch sehr kurz und knapp zurück. „Jetzt geh und lass mich in Ruhe. Du kannst doch durch den Kanal schwimmen, ich verstehe gar nicht, warum das niemand will“, meinte die Alte und widmete sich dann wieder ihren Diamanten.
Da bemerkte Lena, dass Trauer auf sie zukam und sie fragte Trauer, „Was brauchst du?“
Und Trauer antwortete, „Ich brauche, dass du mich spürst.“
„Ok, und wie fühlst du dich dann?“, fragte Lena.
„Dann fühle ich mehr Klarheit über die Ereignisse damals“, sagte Trauer und schaute etwas unsicher.
Und plötzlich sah Lena ihre Vergangenheit vor ihren Augen wie einen Film ablaufen.
Sie erinnerte sich daran, wie sie als kleines Mädchen sehr schüchtern und verträumt gewesen war. Dazu hatte sie eine große Fantasie, sprach mit Bäumen und Blumen und konnte stundenlang den Eichhörnchen zusehen, wie sie durch den Garten sprangen, Haselnüsse horteten und sich damit ihre Wintervorräte anlegten. Lena erinnerte sich, dass sie sich damals immer ausgemalt hatte, wie so ein Eichhörnchennest wohl von innen aussah, aber wenn sie ihre Eltern danach fragte, hatten diese nie Zeit, da sie zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt waren.
Ihren Vater allerdings bewunderte sie schon damals sehr, denn er besaß eine Firma und bestimmte über viele Angestellte. Ja, und sie wurde sich darüber bewusst, dass sie das bereits damals beeindruckt hatte.
Und dann dachte sie an ihre Mutter, die in einem großen Verlag als Managerin arbeitete. Lena war schon früh in die Obhut eines Kindermädchens gegeben worden, von deren Seite sie so gut wie nie wich, da sie eine innige Beziehung zu ihr aufgebaut hatte. Wenn die Mutter nach Hause kam, spielte diese zwar ab und an einmal mit Lena, jedoch war sie nie richtig bei der Sache, sondern dachte immer an ihre Arbeit, telefonierte oder musste immer „gleich schon wieder los“. Lena versuchte daher alles, um sich den Wünschen der Mutter anzupassen, denn sie wünschte sich deren Beachtung und Liebe. Jedoch bekam sie diese leider nur sehr, sehr selten.
Dann erinnerte sich Lena an einen bestimmten Tag, an dem der Vater aus der Firma nach Hause kam und der Mutter erzählte, dass es wohl mit der Firma bergab ging. Ab diesem Tag stritt er nun immer öfter mit der Mutter. Wenn dies geschah, stand Lena zitternd hinter verschlossener Türe und hoffte, dass die Eltern doch endlich aufhören würden. Doch die Streits wurden immer lauter und immer schlimmer. Und eines Tages schrie der Vater die Mutter so furchtbar an, dass Lena plötzlich gar nicht mehr richtig denken konnte. Sie hörte, wie der Vater die Vitrine im Wohnzimmer umwarf und wie das Glas zersplitterte. Lena hatte unsagbare Angst, dass der Mutter nun etwas passiert sei.
Plötzlich erinnerte sich Lena an ihre damaligen Gedanken und Gefühle. Sie erinnerte sich, wie sie dachte, „Der Vater kann es doch nicht so schlimm meinen, er ist doch mein bewundernswerter Vater…“ und ihr wurde bewusst, dass sie danach der Überzeugung gewesen war „Ja, die Mutter ist auch nicht böse“ und es durchfuhr Lena plötzlich wie ein Schlag, als ihr bewusst wurde, dass damals ihr Schuldgefühl entstanden war. Als kleines Mädchen gab es für sie nur eine einzige Erklärung: „Es kann nur meine Schuld sein!“ Da wusste Lena, dass sie seither nie darüber nachgedacht hatte, ob dies denn überhaupt noch so stimmte. Ob es tatsächlich ihre Schuld war, oder ob es vielleicht eine ganz andere Erklärung für das Verhalten der Eltern gab. Jedoch stellte sie fest, dass damals die Wurzeln für ihre stetige Überzeugung entstanden waren: „Etwas an mir ist nicht in Ordnung! Ich dachte immer, Vater beantwortet meine Fragen zu den Eichhörnchen nicht, weil an mir etwas nicht in Ordnung sei. Und Mutter sei nie da gewesen, weil sie aus diesem Grund lieber nicht bei mir sein wollte.“ Lena erinnerte sich, dass sie diese Gedanken als kleines Mädchen gehabt hatte und nur noch weg, ja, ganz weit weg wollte!
Und als sie noch einmal in die traurigen Augen des kleinen Klabuwees schaute, sah sie, wie sie sich damals in ihr eigenes Herz verkrochen und sich einfach nicht mehr herausgetraut hatte. Ein Mädchenherz umfasst gerade mal die Größe einer Mädchenhand, was blieb ihr da anderes, als sich in ein kleines Vogelküken zu verwandeln, denn dafür war gerade ausreichend Platz. Das Vogelküken hieß Papili. Lena erkannt es vor ihren Augen wieder. Und wie die Zeit so verging, verschlossen sich die Mauern um ihr Herz und Papili verlor den Kontakt zur Außenwelt. Das alles konnte sie sehen.
Dann folgten vor ihrem inneren Auge Bilder der folgenden Jahre. Sie wuchs zu einer erwachsenen Frau heran, studierte, hatte mehrere Beziehungen, eine steile Karriere und wartete auf den richtigen Augenblick und den richtigen Partner, um „irgendwann einmal selbst Kinder in die Welt zu setzen“.
Doch nun wusste sie, dass sie einen Teil von sich in ihrem Herzen verloren hatte. Es war Papili, das sich nicht hinaus ins Leben traute. Die Außenwelt war dunkel und starr geworden, geprägt von bloßem Funktionieren, von Regeln und Gesetzen, von welchen Lena sich die meisten selbst auferlegt hatte, wie sie sich insgeheim eingestehen musste. So musste zum Beispiel ihr Körper in die richtige Form gebracht werden, die berufliche Leistung regelmäßig stimmen und die gesellschaftlichen Kontakte gepflegt werden. Ein Heraustreten aus seinem Herzen, hätte den sicheren Tod für das kleine Küken bedeutet. Nur gut, dass die Mauern dick und fest und die Fenster dicht verschlossen waren.
Und der Film vor Lenas Augen ging weiter. Jahr um Jahr verstrich, aber die Mauern um ihr Herz waren und blieben verschlossen. Und so laut Papili auch piepte, Lena konnte es nicht hören, denn die Mauern waren einfach zu dick. Beide, Lena und Papili, führten von nun an voneinander getrennte Leben. Die erwachsene Frau, Lena, im Außen und Papili im Innen. Schließlich hatte die erwachsene, erfolgreiche Lena das kleine Küken in ihrem Herzen vollkommen vergessen.
Wieder durchfuhr Lena ein Schlag und sie wurde sich bewusst, dass sie gerade dadurch eine ganz einzigartige Fähigkeit bekommen hatte! Denn bereits als kleines Mädchen hatte sie so die Fähigkeit erworben, sich zu verwandeln! Wenn auch nur zum Teil und auch nur in ein kleines Vogelküken!
Sie sah, dass sie als Küken und gleichzeitig als Frau existieren konnte und sie erkannte, dass sie fähig war, zu fühlen, zu funktionieren und rational zu denken.
„Ich kann mich verwandeln, fühlen, funktionieren und rational denken!“, rief sie da aus.
Die Alte schaute von ihren Diamanten auf und ihr Gesichtsausdruck verfärbte sich ins Grüne. Und dann ins Rote.
„Hm, schlau bist du, hier hast du drei Diamanten. Aber glaub ja nicht, dass du mir noch mehr davon wegnehmen kannst, denn so schlau bist du auch wieder nicht“, sagte Mela siegessicher.
Lena nahm die drei Diamanten und legte sie in die Tasche ihres Seelenkleids, aber gleichzeitig spürte sie Ärger auf sich zukommen.
„Ärger, was brauchst du?“, fragte sie, so wie sie es von Idis gelernt hatte.
„Ich brauche von dir, dass du dich nicht mehr für dumm verkaufen lässt“, sagte Ärger bestimmt und verschränkte seine kleinen Ärmchen vor der Brust.
„Und wie fühlst du dich dann?“, fragte Lena.
„Schlau und wertvoll!“, erwiderte Ärger und stemmte nun beide Hände in die Seiten.
Lena wandte sich zu Mela. „Mela, ich bin schlauer als du denkst und ich bin wertvoll.“
Mela wurde noch wütender, gab Lena aber zwei weitere Diamanten.
Dann fuhr Lena fort, „Mela, ich will, dass du mir sagst, was dann war.“
„Ok… aber das ist das letzte, was ich dir sagen werde. Glaube ja nicht, dass du alles aus mir herausbekommst“, murrte Mela trotzig. „Als das Küken in deinem Herzen war, hast du begonnen, Geschichten zu erzählen. Du hast sie aufgeschrieben und mit deinem Kassettenrekorder aufgenommen.“
„Ich bin eine Geschichtenerzählerin“, schlussfolgerte Lena.
„Hehe, ich wusste, dass du nur eins herausbekommst“, rief Mela schadenfroh und tanzte im Kreis auf einem Bein.
„Und“, fuhr Lena fort …
Mela schaute verunsichert. „Nein, das wird sie nicht herausbekommen“, redete sie sich ein.
„Und… ich bin eine Hörspielautorin“, sagte Lena überzeugt und Mela lief noch röter an.
„Mist!“ rief diese, „du bist schlauer, als ich dachte.“
Geschlagen gab sie Lena zwei weitere Diamanten.
Idis, die alles beobachtete, zählte heimlich mit. „Sieben! Noch 43 Diamanten…“
„Was passierte dann?“, bohrte Lena. „Ich will, dass du es mir jetzt sagst“, betonte sie immer selbstsicherer.
Mela schaute resigniert zu Lena, aber ihr blieb nichts anderes übrig, als Lena weiter zu erzählen: „Dann nahmst du einen Job als Babysitterin an. Du brachst aber nach zweimal ab.“
„Ich fühle mich nicht in richtiger Gesellschaft mit Babys, ich bin also niemand, die gerne Kleinkinder um sich haben will“, sagte Lena nickend.
„Haha, Negatives gilt nicht, habe ich ja gesagt, da musst du bei mir früher aufstehen, wenn du die Brücke noch überqueren willst!“ Mela tanzte wieder im Kreis herum und freute sich, dass Lena nicht die richtige Antwort gewusst hatte.
Sie ging wieder zu ihren Diamanten und begann zu zählen. Aber da sagte Lena, „Ich bin jemand, die gern Erwachsene um sich hat.“
„Mist, schon wieder“, dachte Mela und gab Lena ihren verdienten Diamanten.
„Acht Diamanten, noch 42“, zählte Idis mit.
Und so ging das noch eine ganze Weile. Lenas Taschen füllten sich immer und immer mehr mit den von ihr verdienten Diamanten.
Als sie den 49ten Diamanten in ihre Tasche fallen ließ, sagte Mela, „Nun habe ich keine Diamanten mehr. Du kannst also gehen.“
Lena bedankte sich trotz Melas unhöflicher Art, aber diese war bereits in ihr Haus zurückgetreten und hatte die Tür hinter sich zugeworfen.
„Idis, ich habe alle Diamanten beisammen, glaube ich, denn Mela hat mir alle gegeben“, wandte sie sich dann an ihre Mentorin.
„Hm, das kann nicht sein, denn ich habe mitgezählt. Die Brücke hat 50 Dielen und du brauchst genauso viele Diamanten, um sie überqueren zu können“, meinte Idis.
„Wo ist überhaupt Papili?“, fiel es Lena plötzlich ein. Sie hatte bei Mela nicht mehr auf es geachtet und nun bemerkte sie, dass es verschwunden war. „Papili! Rief sie in den Wald hinein.“
Da kam Papili plötzlich angeflogen, und zwar aus der Richtung von Melas kleinem Häuschen. „Aber was blitzt denn da aus seinem Schnabel hervor?“, rief Lena erstaunt.
„Ein waschechter Diamant!“, stellte Idis entzückt fest.
Papili ließ den letzten Diamanten in Lenas Tasche fallen und piepte „Piep! Mela hatte ihn versteckt, und wollte ihn nicht herausgeben. Aber ich habe gesagt, dass es mich gibt und dass es ein Grund für den letzten Diamanten ist und da gab sie ihn mir. Gut, oder? Piep!”
Lena streckte ihren Arm aus und Papili hüpfte auf ihre Schulter. „Oh Papili, danke! Du hast uns gerettet und du bist wahrlich ein Grund für einen Diamanten, wenn nicht für 100!“, rief Lena außer sich vor Freude.
Sie streichelte Papili mit ihrer Wange und nun gingen alle gemeinsam auf die Brücke zu. Vor der ersten Bohle hielten sie an. Langsam ging Lena in die Hocke und betrachtete die Oberfläche vor sich aufmerksam. Das alte, dunkle Holz knarrte ein wenig in der warmen Sonne. Sie brauchte einen Moment, bis sie die kleine Ausbuchtung gefunden hatte, in welche der Diamant offenbar gehörte. Behutsam legte sie in dieses und jedes weitere Loch auf der langen Brücke einen Diamanten und als sie ihn hineinlegte, verfärbte sich die Diele leicht rötlich. Als sie dann alle über die letzte Diele gegangen waren, lag hinter ihnen eine in rotgoldenem Licht schimmernde Brücke.
„Wie ein roter Faden“, dachte Lena erstaunt, bevor sie sich wieder dem Palast zuwandte, der vor ihr in hellem Glanz erstrahlte.
Deine Anna
...die macht, dass du dich zeigen willst.
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Anna Breitenöder
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