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In letzter Zeit, immer wenn es ganz still wurde, bekam Lena so ein seltsames Gefühl. Es war, als ob sie jemand rufen würde. Von ganz weit her. Früher hatte sie sich bei einem ähnlichen Gefühl immer mit etwas Leckerem, einer neuen Affäre, einer Shoppingtour, einem aufregenden Film oder einem neuen Projekt abgelenkt. Doch nun bekam sie dieses Gefühl immer öfter und immer stärker.

Und dann änderte sich plötzlich alles: Die erste Schmerzattacke kam.

Begonnen hatte es mit starken Schmerzen in ihren Händen, Beinen und Rücken. Es war ein anfallartiger Schmerz, der nach ungefähr einem Tag wieder verschwand. Fast so, als wäre er nie da gewesen. Lena dachte sich zunächst nicht viel dabei, doch die Attacken kamen nun immer häufiger.

Obwohl sie es sich eigentlich nicht leisten konnte, sich von ihrer Arbeit frei zunehmen, waren die Schmerzen eines Tages so schlimm, dass sie einmal fast ohnmächtig wurde. Da erst ging sie endlich das erste Mal zu einem Arzt. Doch dieser konnte nichts finden, körperlich sei sie völlig gesund. Zur Sicherheit ließ er sie von Kopf bis Fuß untersuchen. Aber auch dies ergab keine brauchbare Diagnose. Die Ärzte, die die Untersuchungen durchgeführt hatten, waren ratlos. Psychosomatisch hieß es zum Schluss. Und Lena blieb mit ihrem Schicksal alleine.

In den darauf folgenden Wochen häuften sich die Attacken mehr und mehr und Lena wurde ein weiteres Mal beinahe ohnmächtig.

„Hoffentlich handelt es sich nicht um etwas Schlimmes“, sorgte sie sich, „Ich muss doch meinen Job machen!“ Aber als es immer schlimmer wurde, gab es keine andere Lösung, als eine erneute Krankschreibung und Lena blieb zu Hause, von wo aus sie trotz allem täglich mit ihrer Assistentin telefonierte, um alles unter Kontrolle zu behalten.

Von da an wurde es täglich schlimmer. Lena lag nun oft lange im Bett oder auf dem Sofa und versuchte sich zunächst mit TV-Serien und später mit interessanten Artikeln und Videos aus dem Internet bei Laune zu halten.

Wenn sie dann so da lag, begannen ihre Gedanken wie wild zu rasen. Sie machte sich starke Vorwürfe, dass sie nicht besser für sich gesorgt hatte, sie hätte nicht so viel Kaffee trinken, sich gesünder ernähren und vielleicht doch endlich mit Yoga beginnen sollen. Es war alles ihre Schuld! Da war sie sich ganz sicher. Sie quälte sich Tag für Tag und Nacht für Nacht durch ihre Gedanken voller Selbstbeschuldigung, innerer Wutausbrüche und Verzweiflung. Zudem fühlte sie sich sehr allein, da auch Cat, ihre eigentlich beste Freundin, sie immer seltener anrief, seit sie krank war.

„Klar“, dachte Lena betrübt, „jetzt kann ich ja nicht mehr mit auf Cats Partys, also ruft sie mich auch nicht mehr an.“

Langsam, Tag für Tag und Woche für Woche wurden Lenas Gedanken weniger. Und nach einigen Wochen wurde es einfach … still.

Und da geschah es schließlich, als sie so gedankenlos in ihrem Bett lag und an die Zimmerdecke starrte, dass sie ein schüchternes leises Piepen vernahm.

Ein ganz zartes fast lautloses Piepen. Da sie aber so schwach war, sich nicht bewegen oder gar anderweitig ablenken konnte, war sie gezwungen, genauer hinzuhören. Das Piepen war immer noch da.

Und je genauer sie hinhörte, desto lauter und deutlicher konnte sie es hören. „Woher kommt es nur?“, fragte sie sich. Denn es kam nicht aus ihrem Zimmer, aber auch nicht aus der Wohnung unter ihr. Und auch nicht von draußen.

Plötzlich spürte sie ein deutliches, starkes und schneller werdendes Herzklopfen und erkannte: „Ja, von dort kommt es! Direkt aus meinem Herzen!“

Zuerst bekam sie Angst, zweifelte an ihrem Verstand und glaubte schon, es wäre vielleicht eine Art Herzinfarkt. Doch das Piepen, dieses leise, versöhnliche, beruhigende Piepen, blieb. Ihr Herzschlag beruhigte sich allmählich und ihre Angst schwand. Sie lauschte auf das Piepen und über den steten Rhythmus und ihre eigene Erschöpfung fiel sie schließlich in einen tiefen Schlaf. Sie sank immer tiefer und tiefer in die warme, weiche Dunkelheit und begann … zu träumen.

Sie wanderte einen langen Weg entlang, links und rechts säumten Bäume und Büsche ihren Pfad. Es war ein warmer, sonniger Tag. Die Bäume waren satt und grün und die Waldluft angenehm frisch und erfüllt vom Duft der Blüten und Kiefernnadeln. Lena fühlte sich trotz ihrer Schwäche freudig und beschwingt. So ging sie den Weg entlang, genoss das warme Sonnenlicht auf ihrer Haut, bis sie an eine kleine Waldlichtung kam, auf welcher ein kleines Häuschen stand. Es war so ein ruhiger, beschaulicher Ort. Umringt von Blumen und kleinen Sträuchern stand es da und strahlte eine Ruhe und einen Frieden aus, der sich direkt auf Lena übertrug. Leichtfüßig ging sie auf das Haus zu und eine innere Stimme sagte ihr, dass sie anklopfen sollte, um herauszufinden, wer hier wohl wohnte. So tat sie es und heraus kam eine Frau mit langem weißem Haar und von schlanker Gestalt. Ihr Gesicht schien alterslos und ihre Augen erzählten von einer Weisheit und einem Wissen, das Lena den Atem verschlug. Auf ihrer Schulter saß ein kleiner Vogel.

„Mein Name ist Idis und wer bist du?“ stellte die weise Frau sich vor.

„Lena heiße ich“, antwortete Lena.

„Willst du eintreten?“, fragte Idis. Lena nickte und trat ein.

Das Häuschen war innen voller offener Vogelkäfige und Vögel, die durch die Luft flogen. Viele der Vögel saßen auf Regalen oder Vorsprüngen unter dem Dach des kleinen Häuschens, auf dem Tisch, Stuhllehnen und überall, wo sie sonst Platz fanden. Ein wildes, aber dennoch melodisches Gezwitscher beherrschte die Luft.

„Setz dich doch! Und erzähle mir etwas über dich. Was führt dich zu mir?“, fragte Idis.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Lena verwirrt. „Ich wanderte einen Waldweg entlang und plötzlich befand ich mich auf dieser Lichtung wieder.“

„Ich verstehe“, sagte Idis und nickte. Dann ging sie zum Herd, der in der Mitte des Häuschens stand, und setzte einen Kessel mit Wasser auf, um Tee zu kochen.

Lena schaute sich inzwischen um und entdeckte ganz oben gleich gegenüber von ihr ein Regal, auf welchem mehrere Vogelküken saßen, die aufgeregt durcheinander zwitscherten. Nur ein einziges kleines Vogelküken war ganz still und saß fast reglos da …

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Anna Breitenöder,
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